Donnerstag, 12. November 2015

Auf dem Weg.

Wie schön das klingt "Sich finden", richtig nach Erfüllung. Und was da alles mitklingt: "Suchet, so werdet ihr finden. Klopfet an, so wird euch aufgetan." Und so weiter.

Aber wie ist es wirklich für den, der sucht? Er findet sich. Ja, er findet sich, er findet sich immer wieder und wieder und wieder, auch wenn er einmal rasten möchte., auch wenn er endlich aufhören oder auch nur unterbrechen möchte. Und wie er sich findet? Meistens in Stücken oder in Bruchstücken oder in zerbröckelnden Stücken, oder in Stücken, die sich faulig zersetzen oder doch so aussehen, als werde die Zersetzung gleich anfangen.

Und wenn er sich ganz findet, dann weiß er nicht mehr, wer er ist, er oder das, was er da gefunden hat. Und was heißt ganz? Ganz, aber tot. Ganz, aber in einem Zustand der Dumpfheit, aus dem der Gefundene nicht zu erwecken ist. Ganz aber ganz zum Tier geworden, oder zu etwas Ärgerem, denn wenn wir sagen "tierisch", tun wir den Tieren damit Unrecht. Ganz, und vielleicht sogar auch ganz bei Sinnen, aber bei Sinnen, die keinen Sinn mehr finden können, oder vielleicht nur den Sinn noch nicht finden können, aber was hilft das? Wenn man vergeht, ehe man ihn finden konnte, dann war es fast ganz, als hätte man ihn nicht mehr finden können. Und das ärgste ist, daß man, wenn man erst angefangen hat zu suchen, nicht mehr aufhören kann, auch nicht, wenn man längst weiß, daß die Worte "Suchet, so werdet ihr finden" eigentlich eine Warnung waren oder gewesen sein könnten.


Quelle::: Erich Fried "Das Unmaß aller Dinge. Erzählungen" Berlin 1990.


Dienstag, 10. November 2015

[was blieb.]

Herbst|kleid.


Sich völlig entblättern, 
um still & schüchtern
die Kälte der Nacht zu begrüßen | .
ein Schauer. 

Sich völlig entblättern,
um still & leise
dem Windspiel zu lauschen.

Entblätterung,
um still & heimlich 
in naher Ferne zu entfalten | .
ein Spross.

Sinnlicher Herbst | du sanfter Verführer. 




written by::: Juliane Befeld /// pics::: Linsensüppchen 54

Sonntag, 8. November 2015

Das muss diese Leichtigkeit sein.

pic by::: Linsensüppchen 54
Diese Stille am Morgen, wenn sie, mit schwarzem Kaffee & Milchbrötchen in der Hand, durch das Fliegengitter raus in die grünen Wellen schaute | unvergleichlich.
Eine Welt voller Leichtigkeit, kalter Wärme & sinnlichen Erwartungen lag vor ihr & rieb sich noch ganz schüchtern die Augen.
In diesem Moment wollte sie gar nicht wissen, was passiert, was passieren wird, was passieren mag. Es würde passieren. Sie würde es auf sich zu schwimmen lassen; mit all den Farben & Facetten, die es zu bieten hatte. Das war es wohl, was alle Leben nannten.
Die Stimmen im Kopf waren noch leise, aber fingen schon langsam an ihr 54 schöne Ideen zu erzählen. Inspirationen wuchsen wie blaue Blätter an den Bäumen & fielen zu Boden. Sie war hin & weg | hin & wieder weg von dieser Schönheit. Vielleicht träumte sie auch noch.
Es gab diese Momente, da fühlte sie sich zwischen den Gedanken eingeklemmt, in zwei Richtungen gerissen, vom Weg abgekommen. Danach musste sie sich immer wieder (neu) zusammen setzen. So nicht heute.
Heute war es wohl die Stille, die sie bewegte & ihre Ideen an_trieben. Triebe.
Mit ihrem Blick verfolgte sie den Riesen & das Monster unter dem Bett, die draußen auf der Schaukel saßen & sich von Kriegen & Monden erzählten. Ein zauberhafter Anblick. Wie gerne wollte sie ihnen lauschen.
Sie lauschte der Stille; würde sie am liebsten Packen, Schütteln & Lieben. Lebendig werden lassen. Diesen Moment auf 'repeat' stellen & ihn in den anderen Momenten abspielen /// so stellte sie sich das jetzt vor. Diesen Gedanken würde sie nun aufschreiben, in einen dieser kleinen beigen Umschläge stecken & an sich selbst verschicken.
Sie hatte plötzlich große Lust kreativen Quatsch zu machen. Mit den Gedanken fangen zu spielen, Luftschlösser abzureißen & mit Matsch neu aufzubauen. Es sprudelte nur so in ihr. Dieser Morgen war ein einziger Wildfang. Ein großes Geschenk.
Der Kaffee war kalt geworden. Das Milchbrötchen aufgegessen. Sie überlegte, was nun zu tun sei. Vielleicht auch einfach mal Nichts.
Aber Nichtstun viel ihr schwer. Sie würde als erstes ihre grauen Jeans anziehen, ein grau_geringeltes Shirt & diese alte blutrote Strickjacke darüber tragen. Dann würde sie sich auf den Weg machen & mit ihren Augen die Welt fotografieren. Sie würde alles einsaugen, aufsaugen & all die Klänge, Gerüche & Momente des Frei_seins tanken; um sie dann an einem anderen Ort wieder freizulassen.

'Ich denke wir sollten es nicht tun', flüsterte der Riese ihr ins Ohr, nahm sie an die Hand & ging mit ihr fort. Das Monster unter dem Bett legte sich nochmal schlafen & lächelte friedlich.

Sonntage.

 

Donnerstag, 5. November 2015

Interview "Im blauen Salon"


   Liebe Claire, herz:linsen Dank, 

dass du mich in meiner [ˈzʊpn̩tɛriːnə] besuchst


      Erzähl mir ein wenig über dich. Was macht dich aus? 
Was liebst du? Wo lebst du?


Ich lebe im kunterbunten Berlin, in einem klassischen Altbau mit Garten nahe der Spree. Wenn ich nicht male, findet man mich beim Tangotanzen, beim Segeln, auf der Pferderennbahn oder in einem der kleinen Berliner Programmkinos. Ich streife auch gerne einfach nur durch die Stadt und sehe mir an, wie sich die Viertel verändern. Das ist so schön an Berlin: Alles ist ständig in Bewegung. Es gibt noch immer viele Freiräume und die Kunst- und Kulturszene ist sehr spannend. Ich bin aber auch gerne draußen vor der Stadt. 

Es ist mir wichtig, dass ich zwischendurch viel Ruhe bekomme. An den Seen oder im Wald kann ich auftanken und komme auf neue Ideen.

     
 
  Du schwärmst von deiner Stadt /// es hört sich an, wie eine Liebe. 
Ich mag es, wenn man sich mit seinem Lebens_Raum identifiziert.

„Der blaue Salon“ ist ja nicht zufällig blau geworden. 
Warum? Was fasziniert dich an dieser Farbe…


Blau ist für mich die Farbe des Unterbewusstseins, der Nacht, der Träume und der unendlichen Möglichkeiten. Auch an das Meer denke ich sofort. Für mich ist es eine Seelenfarbe. Ich komme auch beim Malen immer wieder auf Blautöne zurück - sie beruhigen mich.
Der Blaue Salon ist ja sowohl mein virtuelles Atelier als auch ein Ort, an dem sich Menschen - auf Twitter und im Blog – mit mir austauschen können.

Ich fand den Gedanken schön, den Blauen Salon dabei in gewisser Weise an den “Blauen Reiter“ anzulehnen: ein loses Netz von Künstlern, die sich austauschen, ohne dabei dogmatisch zu sein. Im Blauen Reiter waren alle Kunstformen gleichberechtigt und es herrschte die Idee vor, dass jeder Mensch eine innere und eine äußere Wirklichkeit erlebt, die in der Kunst zusammengebracht werden können. Für die Gespräche im Blauen Salon wünsche ich mir eine ebensolche Offenheit und Neugier, ein gegenseitiges Inspirieren, Voneinander-Lernen und Miteinander lachen. Ich glaube, das diese Verbindungen unglaublich wertvoll sind.


Ja, auch ich mag die Begegnung mit neuen Menschen, 
die mich inspirieren & ergreifen /// die mich greifen.

Was ist das Alleinstellungsmerkmal deiner Kunst? Was macht dich aus? Mit welchen Materialien malst du /// was brauchst du um dich im deiner Kunst auzuleben? 



I will wait - Öl auf Leinwand
 


Das ist eine schwierige Frage. War nicht alles schon einmal da? Und gibt es so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal überhaupt?
Ich möchte mit meinen Arbeiten vor allem Räume öffnen und Weite vermitteln. Ich wünsche mir, dass Menschen bei der Beschäftigung mit meinen Bildern das deutliche Gefühl bekommen, dass für jeden jederzeit alles möglich ist. Nichts ist wirklich jemals festgelegt, es lässt sich alles immer noch verändern und verbessern. Zugleich darf meine Kunst wirklich von Herzen „schön“ sein. Provokation interessiert mich weniger. Mir geht es um die stillen Momente. Um das, was sich ganz leise im Inneren bewegt und dann umso länger nachhallt.

Die Materialien, die ich nutze, sind je nach Stimmung unterschiedlich. Ich liebe zum Beispiel Pastellkreiden, weil man durch die direkte Arbeit mit den Fingern sehr nah am Bild ist. Die Kreiden haben einen besonderen Platz in meinem Herzen. Sie sind von Natur aus matt und man muss sehr konzentriert und versunken arbeiten, um die Kreidebilder zum „Leuchten“ zu bringen – das hat etwas Meditatives.

Im Moment arbeite ich aber vor allem mit Ölfarben, weil ich deren Konsistenz und Geruch sehr liebe und die Farben einen wunderschönen Glanz mitbringen, der mir gefällt. Hin und wieder male ich auch noch mit Acryl, das ich mit Crémant oder Champagner mische – das ist eine kleine Macke von mir … Aber ich mag auch Aquarellfarben sehr gerne, wobei ich mit ihnen meist geometrische Formen entwickle und weniger „klassische Landschaftsbilder“, wie die meisten sie wohl von Aquarellen erwarten.

Ich experimentiere ohnehin viel, mische aber niemals wild alle möglichen Materialien. Wahrscheinlich, weil ich auch sonst Puristin bin. Ich mag Klarheit. Klare Formen, klare Ausdrucksweisen, klare Entscheidungen. Unausgegorene Zustände oder Konfuses macht mich wahnsinnig, das kann ich nicht lange um mich herum haben.

Neuerdings spiele ich mit den Möglichkeiten der Encaustic-Malerei herum, also mit dem Erhitzen von Bienenwachs, Harzen und Ölfarben. Ich bin gespannt, wohin mich das noch führt. Es wird sicher einiges am bisherigen Stil verändern, weil die Materialien andere Möglichkeiten eröffnen.


  Magst du mir dein Lieblingsbild von einem Künstler zeigen & mir etwas darüber erzählen? 
  Was macht es aus? Was erzählen mir die Farben & Formen? 
Warum liebst du es so sehr? 


by::: Robert Delaunay
Ein Lieblingsbild habe ich gar nicht … Es gibt so viele unglaublich inspirierende und bewundernswerte Bilder aus den unterschiedlichsten Epochen. Die Serie der Fensterbilder von Robert Delaunay liebe ich aber zum Beispiel sehr. Ich könnte stundenlang staunend davorstehen und in den Farben versinken. Mich begeistert, wie Delaunay seine Sicht auf Paris vermittelt hat, wie er die Stadt durch die Spiegelungen in einer Fensterscheibe einfängt – und wie er dazu Farbflächen gegeneinanderstellt, die sich in Folge gegenseitig verstärken und zum Leuchten bringen.


by::: Lyonel Feininger
Ein weiteres Bild, das ich sehr liebe, ist „Stiller Tag am Meer III“ von Lyonel Feininger. Ich sehe dieses Bild an und werde innerlich sofort vollkommen ruhig. Es ist bewundernswert, wie Feininger mit Transparenz spielt, wie exakt er arbeitet und wie leicht dieses Bild trotzdem wirkt. Er selbst hat diese Art des Malens „Prismaismus“ genannt. Feininger war übrigens auch Musiker bzw Komponist, was für mich als ursprüngliche Musikwissenschaftlerin sehr spannend ist. Feininger hat sich viel mit den Fugen von Bach beschäftigt. Die Gesetzmäßigkeiten des Kontrapunktes haben ihn fasziniert und er hat versucht, die Prinzipien von Themen, Variationen und Wiederholungen in seinen Bildern umzusetzen. Ein sehr mathematischer Blick auf die Malerei. Und wenn man behaupten möchte, dass Bach durch seine Fugen Kathedralen in Musik umgesetzt hat, dann hat Feininger in diesem Bild die Segelboote zu lichtdurchfluteten Kathedralen gemacht.


Wer oder was inspiriert dich?

Kurz gesagt: Alles. Es ist grauenhaft. Eigentlich gibt es nichts, wofür ich mich nicht interessiere. Bilder entstehen bei mir oft aus einer Stimmung heraus, aber es kann auch ein Musikstück sein, ein zufällig mitgehörtes Gespräch in der U-Bahn, ein bestimmter Winkel, in dem Licht auf eine Häuserwand fällt oder die Erinnerung an eine schöne oder eine traurige Begegnung. Das Problem an vielschichtigen Interessen ist, dass sie oft flüchtig sind. Eine meiner größten Herausforderungen ist, länger an einem Thema dranzubleiben. Oft kreisen mehrere „Themen“ in meinem Orbit und wechseln sich ab. Dann geraten wir uns aber früher oder später wieder in die Umlaufbahn und so funktioniert es eigentlich auch recht gut.


Ach, ich kann dich so gut verstehen. Wenn Gedanken kreisen, Ideen im Kopf erwachen & Worte fließen /// gibt es etwas Schöneres?! 
Es will gelebt werden.
Claire, ich weiß, dass du auch schreibst::: erzähle mir darüber… Wo kann ich dich lesen? 

Das Schreiben war lange vor dem Malen da – was interessant ist, denn im Moment überwiegt die Malerei bei mir deutlich. Als Kind wollte ich aber immer Autorin werden. Ich habe Bücher abgöttisch geliebt. Mich gab es einfach nicht ohne Buch vor der Nase und ich wollte immer genau diese Welten, in die man so wunderbar abtauchen kann, auch für andere Menschen erschaffen. Unter dem Autorenpseudonym Yalda Lewin sind in den letzten Jahren mit „Die dunkle Seite des Weiß“ und „Ruf der Drachen“ zwei Romane von mir erschienen, die man ganz normal im Buchhandel bekommt. In beiden Büchern geht es um Jakob Roth, einen Hochsensiblen, der als kleiner Stadtneurotiker in und um Berlin rätselhafte Kriminalfälle löst. Ich gehe davon aus, dass Jakob in Zukunft noch mehr zu tun bekommt, aber vorerst ist die Malerei bei mir wichtiger.


Was möchtest du mit deiner Kunst bei Menschen auslösen?

Ruhe. Weite. Das Gefühl, das Leben selbst in der Hand zu haben und etwas erreichen zu können. Den Bezug zur inneren Stimme, die im lauten Alltag oft nicht mehr zu Wort kommt. Wenn ich so etwas auslösen darf, bin ich glücklich. Mit am schönsten ist es übrigens, wenn ich mich direkt mit den Leuten austauschen kann und die Reaktionen auf meine Bilder sehe. Deshalb freue ich mich immer über Atelierbesuch oder über Menschen, die meine Bilder im Rahmen einer Ausstellung ansehen. Momentan kann man Bilder von mir im Berliner Restaurant Begur sehen – falls da mal jemand vorbeikommt, das Essen dort ist hervorragend. Im April 2016 darf ich in einer Galerie in München ausstellen und werde auch vor Ort sein. Ich freue mich schon sehr auf die Begegnungen und Gespräche!


Reisen wir nun mal in dein Paralleluniversum::: in welcher Zeit lebst du dort?

Muss ich mich wirklich entscheiden? Das ist schwer … Ich glaube, dann würde ich die Zeit der Weimarer Republik wählen. Ich würde gerne verstehen, was damals schiefgelaufen ist und wie es zu all den tragischen geschichtlichen Entwicklungen kommen konnte, die folgten. Ich würde aber auch gerne mit der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach in ihrem Auto bis nach Persien fahren oder mit „El Cachafaz“ in Buenos Aires Tango im Canyengue-Stil tanzen.

Danke schön, liebe Claire /// es hat viel Spaß gemacht dich zu besuchen & mit dir zu plaudern.


Hidden Gold I - Acryl auf Leinwand
Peonies at night - Acryl auf Leinwand
 
A night like this _ Öl auf Leinwand



(Meer.) über Claires blaue Welt findest du hier:::...

Pinterest: https://de.pinterest.com/Claire_Marin/

Sonntag, 1. November 2015

Herbst

Ich hielt ihn für ein welkes Blatt
im Aufwind
Dann auf der Hand:
ein gelber Schmetterling

Er wird nicht länger dauern
als ein Blatt
das fallen muß
in diesem großen Herbst
(und ich nicht länger
als ein gelber Falter
in deiner Liebe großer Flut
und Ebbe)
und flattert doch
und streichelt meine Hand
auf der er sich bewegt
und weiß es nicht 


by::: Erich Fried